„Das Gesetz ist der Freund des Schwachen“ – Schillerzitate für Juristen

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Ein kleiner Verlag im kleinen Steinenbronn nahe der kleinen Großstadt Stuttgart verlegt zum kleinen Preis kleine quadratische Bücher, die er auch noch explizit als „kleine Reihe“ bezeichnet. Ein pathologischer Fall übertriebenen schwäbischen Understatements? Oder eine captatio benevolentiae in der Hoffnung auf naheliegende Metaphern wie „Großes in der kleinen Reihe“ oder „klein aber fein“? Jedenfalls versammelt der Verlag in seinen Büchern im quadratischen „Ritter Sport“-Format „schönste Gedichte“ von Rilke bis Morgenstern von Busch bis Ringelnatz, Gedichte zu Blitz und Donner, Herbst und Winter und Aphorismen- und Zitatensammlungen, die auch vor Fußballerweisheiten („Qualität kommt von Quälen“) und vor Helmut Kohl („Die Mehrheit der deutschen Frauen ist weiblich“) nicht zurückschrecken. Mit dem jüngsten Band „Schiller für Juristen“ besetzt der rührige Verlag eine weitere Nische. Wir sprachen mit dem Herausgeber, dem Stuttgarter Anwalt und Schiller-Kenner Marius Breucker:

Frage: Herr Breucker, das wurde aber auch Zeit: Endlich eine Zitate-Sammlung von Schiller!

Marius Breucker: Ja, die Welt hat lange darauf gewartet. Jetzt ist auch diese Lücke geschlossen…!

Frage: Im Ernst: Warum „Schiller für Juristen“?

Marius Breucker: Es gibt Cicero und Goethe „für Juristen“ – warum also nicht auch Schiller? Zumal er sich in seinem Werk intensiv mit Recht und Gerechtigkeit befasst hat.

Frage: Cicero und Goethe haben immerhin Jura studiert.

Marius Breucker: Schiller auch. Zwei Jahre lang auf der herzoglichen Carlsschule.

Frage: Was lief da schief? Angehende schwäbische Geistesgrößen studierten doch Theologie?

Marius Breucker: So wollten es auch die Eltern. Allein der württembergische Herzog Carl Eugen in seiner Gnade und Weisheit ließ den Vater wissen: „Sein Sohn kann sich die Jurisprudenz wählen!“

Frage: Und: – Examen?

Marius Breucker: Leider nein – wobei das nicht gegen Schiller sprechen muss. Das Studium interessierte ihn nur bedingt und nach zwei Jahren wechselte er zur Medizin. Und wurde „Regimentsmedicus“.

Frage: Aber ein bisschen Jura blieb doch hängen?

Marius Breucker: Die an der Carlsschule gelehrte Rechtswissenschaft war dem mittelalterlichen Rechtsdenken verhaftet und hatte sich die Aufklärung erfolgreich vom Leib gehalten. Daran war der junge Friedrich nicht sonderlich interessiert. Er schrieb während des Rechtsunterrichts lieber Gedichte mit Freund Wilhelm Hoven.

Frage: Da war Goethe beim Repetitor erfolgreicher …

Marius Breucker: Ja, Schillers Desinteresse am Jurastudium wird gerne erzählt, wobei er als 15-jähriger wahrscheinlich auch in anderen Fächern gedichtet hätte. Man darf aber unterstellen, dass ihn die zweijährige Begriffs- und Denkschulung durchaus geprägt hat. Immerhin wurde auch römisches Recht mit strenger Dogmatik, Definitionen und Subsumtionsübungen gelehrt.

Frage: Und das fand im Werk seinen Niederschlag?

Marius Breucker: Die rechtlichen Themen im Werk entstammen – soweit bekannt – nicht dem Jurastudium auf der Carlsschule. Zum „Verbrecher aus verlorener Ehre“ inspirierte ihn nicht etwa sein Rechtslehrer Heyd, sondern Philosophie-Lehrer Abel durch die Geschichte des „Sonnenwirts“. Aber Schillers Interesse an Gesellschaft, Staat und Recht und vor allem an den Menschenrechten ist handgreiflich – das gilt für den Sturm-und-Drang-Dichter, etwa in den „Räubern“, bis hin zum reifen Dramatiker etwa in „Wilhelm Tell“ oder „Demetrius“.

 

 Dr. Marius Breucker (Herausgeber) Die Kleine Reihe: Schiller für Juristen: Zitate für und wider Recht und Gerechtigkeit
Dr. Marius Breucker (Herausgeber) Die Kleine Reihe: Schiller für Juristen: Zitate für und wider Recht und Gerechtigkeit

 

Frage: Eine Kostprobe?

Marius Breucker: „Das Gesetz ist der Freund des Schwachen“ heißt es in der „Braut von Messina“. Schöner kann man die Bedeutung von Minderheitenrechten und den Schutz des Einzelnen durch das Recht nicht formulieren. Der Reiz liegt aber auch in alltäglich-heiteren Formulierungen, wie dem viel zitierten: „Ich hab hier bloß ein Amt und keine Meinung“, woran mancher bei einem Behördengang schon gedacht haben mag.

Frage: Wo finden sich die rechtlichen Themen bei Schiller?

Marius Breucker: Natürlich in den Dramen als Schillers bevorzugtes Genre. Schon in den „Räubern“ thematisiert er Gesetzesbruch und Legitimation des herrschenden Rechtssystems. In „Maria Stuart“ geht es um die juristischen Voraussetzungen eines Thronanspruchs und detailliert um Anklage, Gerichtsverfahren und Verurteilung einer Angeklagten, die unter Umständen Immunität genießt. Aber auch jenseits der Dramen befasste sich Schiller mit dem Recht. Man denke nur an Aufbau und Diktion der Mannheimer Rede „Was kann eine gute stehende Schaubühne eigentlich wirken?“. Darin weist Schiller dem Theater die Rolle eines moralischen, aber auch eines juristischen Richters nicht zuletzt über die Klasse der Herrschenden zu.

Frage: Wie tief dringt Schiller in die Materie des Rechts?

Marius Breucker: In der Erzählung „Verbrecher aus verlorener Ehre“ behandelt Schiller mit profunder Rechts- und Menschenkenntnis und ganz in der distanzierten Sprache eines Untersuchungsrichters die psychologischen und soziologischen Ursachen von Verbrechen. Er nimmt damit – soweit ersichtlich als erster Literat seiner Zeit – die im 20. Jahrhundert formulierten wissenschaftlichen Ansätze des „Etikettierungsansatzes“ vorweg, wonach ein Delinquent durch Stigmatisierung und Ausschluss aus der Gesellschaft erst recht ins Außenseitertum und zu weiteren Gesetzesbrüchen gedrängt wird. Der Gedanke der Tat- und Schuldangemessenheit von Strafe und die Bedeutung der Resozialisierung waren damals – als noch ganz der Sühne- und Vergeltungscharakter dominierte – strafrechtlich revolutionär. Schillers damalige Analyse ist im Grunde bis heute gültig.

Frage: Schiller gilt doch als Freiheitsdichter, nicht als Dichter des Rechts?

Marius Breucker: Ja, die Freiheit des Einzelnen steht bei Schiller im Vordergrund. Und diese Freiheit sieht Schiller nur in einem rechtssicheren Raum gewährleistet, der frei von Drangsal und Despotismus ist. Wo Willkür herrscht, hat der einzelne – wie etwa „Wilhelm Tell“ – ein Widerstandsrecht aus allgemeingültigen, ewigen Rechtsgrundsätzen. Das folgert Schiller aus den unveräußerlichen Menschenrechten, darunter die Freiheit und Würde des Einzelnen.

Frage: Also Themen, die uns heute noch beschäftigen?

Marius Breucker: In der Tat. Schiller arbeitete in seiner Jenaer Vorlesung „Die Gesetzgebung des Lykurgus und Solon“ die Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Demokratieformen auf und verglich direkte und repräsentative Demokratie. Eine ähnliche Diskussion führen wir heute, wenn es um die Frage von Plebisziten und Parlamentsentscheidungen geht. Wiederum ging Schiller auf sein zentrales Anliegen der Freiheit und Würde des Einzelnen ein, indem er die athenischen Gesetze des Solon den allein der Staatsraison verpflichteten spartanischen Gesetzen des Lykurgus vorzog.

Frage: Schiller als Wegbereiter des heutigen Rechts?

Marius Breucker: Wir wollen es nicht übertreiben. Aber wenige Literaten im 18. Jahrhundert beschäftigten sich so intensiv und innovativ mit Recht und Gesetzmäßigkeit als Schutz gegen Willkür und Voraussetzung für Freiheit. Wir finden bei Schiller vieles, was heute im Grundgesetz steht und unsere tägliche Rechtspraxis prägt.

Frage: Also Schiller als Pflichtlektüre für Juristen?

Marius Breucker: Pflichtlektüre für Juristen sind Gesetzestexte und Lehrbücher. Schiller ist lohnende Lustlektüre – nicht nur für Juristen! Probieren Sie` s mal.

 

 

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Friedrich Schiller by Ludovike Simanowiz“ von Ludovike Simanowiz – Neue Deutsche Biographie, hrsg. von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften durch Hans Günter Hockerts, redigiert von Franz Menges, Bernhard Ebneth, Stefan Jordan, Claus Priesner, Maria Schimke und Regine Sonntag, 22. Band: Rohmer-Schinkel, mit ADB & NDB-Gesamtregister auf CD-ROM, zweite Ausgabe; Verlag Duncker & Humblot, Berlin 2005, XVI und 816 S., ISBN 3 428 11203-2 bzw. 3 428 11291-1
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Das neue Arbeitswesen

Im letzten Beitrag hat Michael Blachy verdeutlicht, dass allein die hohe Staatsverschuldung Grund genug für ein bedingungsloses Grundeinkommen ist. Im folgenden wird dargelegt, inwieweit ein neues Arbeitswesen ein weiterer Schritt in diese Richtung ist.

Das bedingungslose Grundeinkommen ist Gegenstand zahlreicher Diskussionen bereits seit dem Mittelalter. Auch heute wird das bedingungslose Grundeinkommen vielerorts diskutiert und aus den Niederlanden, Belgien, der Schweiz, Irland, Kanada und Deutschland kommen immer wieder gute Denkansätze und Ideen zur Umsetzung. Trotz alledem konnte sich das bedingungslose Grundeinkommen bisher nicht endgültig durchsetzen.

Im letzten Beitrag wurde verdeutlicht, dass die hohe Staatsverschuldung, insbesondere die hohen impliziten Staatsschulden, die einen enormen Schuldenberg auf die zukünftigen Generationen verlagern, einen Staatsbankrott nicht ausschließen und somit ein Paradigma-Wechsel notwendig ist – spätestens dann, wenn allen Beteiligten diese überaus kritische Situation hinreichend bekannt und bewusst wird.

In diesem Beitrag geht es darum zu verdeutlichen, wie ein neues Arbeitswesen zur Problemlösung beitragen kann.

Interessengegensätze: Unternehmenseigner – Mitarbeiter

Die heutige Arbeitsverfassung ist gekennzeichnet von einem Gegensatz der Interessen: auf der einen Seite stehen die Interessen der Kapitaleigner eines Unternehmens und auf der anderen Seite stehen die Interessen der Mitarbeiter dieses Unternehmens. Obwohl die Mitarbeiter diejenigen sind, die den Unternehmenserfolg schaffen, werden sie als Kosten betrachtet… Und Kosten verringern in der heutigen Auffassung den Unternehmenserfolg! Das ist ein Paradoxon, das sich nicht nur bilanziell darstellt, indem in der Bilanz die Gehälter als Kostenblock, in der Regel sogar als der größte Kostenblock, abgebildet und verstanden werden. Diese Betrachtungsweise zieht zudem eine große Anzahl von Problemen in der derzeitigen Auffassung vom Arbeitswesen nach sich. Zu nennen seien beispielsweise Tarifverhandlungen, einhergehend mit Streiks und zahlreichen Arbeitsgerichtsprozessen, z.B. im Zuge betriebsbedingter Kündigungen. Schließlich entsteht so auch die aberwitzige Situation, dass beispielsweise bei großen Aktiengesellschaften die Freistellung von Mitarbeitern (in die Arbeitslosigkeit) hohe Wertsteigerungen bei den Kursen der betreffenden Aktien auslöst.

Interessengegensätze: Unternehmenseigner - Mitarbeiter
Interessengegensätze: Unternehmenseigner – Mitarbeiter

Auflösung des Paradoxons

Diese Probleme ergeben sich aus dem scheinbaren Gegensatz der Interessen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Bei genauerer Betrachtungsweise wird jedoch deutlich, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Grunde an einem Strang ziehen: Arbeitsleistungen erbringen und Einkommen beziehen bedingen sich gegenseitig. Schließlich wird das Unternehmen im Wesentlichen durch seine Mitarbeiter bestimmt und geprägt. D.h. Unternehmenseigner und Mitarbeiter verfolgen im Grunde die gleichen Ziele.

Die logische Konsequenz ist, dass dieser scheinbare aber gelebte Interessengegensatz zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer aufgelöst werden muss. Eine Maßnahme der Auflösung ist, dass der erwirtschaftete Ertrag zwischen Eignern und Mitarbeitern “angemessen” aufzuteilen ist. Der Kerngedanke des neuen Arbeitswesens läuft darauf hinaus, die Mitarbeiter in einer bestimmten Weise als „Miteigentümer“ des Unternehmens zu betrachten. Entscheidender Gedanke des neuen Arbeitswesens ist dabei, dass die Mitarbeiterbeteiligung nicht, wie bisher üblich, zu Lasten der bisherigen Eigentümer geschieht, wie beispielsweise eine Umverteilung der Aktienanteile zu Gunsten der Mitarbeiter und gleichzeitig zu Lasten der bisherigen Eigentümer/Aktionäre.

Im neuen Arbeitswesen geht es vielmehr darum, die Mitarbeiter als Miteigentümer zu verstehen ohne den bisherigen Eigentümern etwas wegzunehmen! Damit wird per se ein potentieller Interessenwiderspruch zwischen bisherigen und neuen Eigentümern ausgeschlossen. Erreicht wird dieses Ziel, indem den Mitarbeitern bei Einführung der neuen Arbeitsverfassung derjenige Anteil an den Erträgnissen des Unternehmens zur Verfügung gestellt wird, der im vorherigen Geschäftsjahr als Kostenblock für Löhne und Gehälter angefallen ist.

Als “angemessene” Aufteilung wird also die Summe der Löhne und die Summe der Gewinne aus dem zurückliegenden Geschäftsjahr herangezogen und prozentual auf das folgende Geschäftsjahr übertragen. So erhalten Mitarbeiter und Unternehmer den gleichen Anteil am erwirtschafteten Gewinn wie im Vorjahr, also den gleichen Anteil nach dem bisherigen Arbeitsrecht. Gleichzeitig wird den Mitarbeitern etwas gegeben was, sie vorher nicht hatten, ohne dass den Eigentümern etwas genommen wird. Im Zuge des neuen Arbeitswesens sollte dann in der Bilanz der Mitarbeiter-Anteil jedoch nicht als „Kostenblock“, sondern als Anteil an dem erwirtschafteten Ertrag bezeichnet werden. Der Mitarbeiter wird dann nicht mehr als Kostenverursacher, sondern als Partner wahrgenommen. Und das impliziert weitere entscheidende, positive Konsequenzen:

1. Die Mitarbeiter erhalten den auf obiger Basis errechneten Anteil an den Einnahmen, die das Unternehmen erzielt. Die Gehälter steigen und sinken dann entsprechend der Entwicklung der Unternehmenseinnahmen. Somit haben die Mitarbeiter wie die Aktionäre Chancen ihr Einkommen zu steigern, aber ggf. auch das Risiko, dass es sinken könnte.

Hinsichtlich unternehmerischer Entscheidungen verfolgen die Mitarbeiter und Unternehmer nun das gleiche Interesse
Hinsichtlich unternehmerischer Entscheidungen verfolgen die Mitarbeiter und Unternehmer nun das gleiche Interesse

2. Die Beteiligung der Mitarbeiter am Unternehmenserfolg führt gleichzeitig zu einer neuen Entscheidungsstruktur innerhalb des Unternehmens: hinsichtlich unternehmerischer Entscheidungen verfolgen die Mitarbeiter und Unternehmer nun das gleiche Interesse. Sollte sich beispielsweise die Unternehmenslage verschlechtern und Kündigungen notwendig werden, haben nach der Auffassung des neuen Arbeitswesens die Mitarbeiter die Möglichkeiten, die Konsequenzen dieser Entscheidung selbst zu tragen: statt der Kündigung von Mitarbeitern wird durch eine Anpassung der Aufteilung der Erträge für den Erhalt dieser Arbeitsplätze gesorgt.

Diese autonome Regelung für die Mitarbeiter führt schließlich dazu, dass auf die bisherigen Kündigungsschutzregelungen für die neustrukturierten Unternehmen verzichtet werden kann und somit z. B. belastende Auseinandersetzungen vor dem Arbeitsgericht entfallen. Die starre Aufhebung des Kündigungsschutzes gibt zudem Mitarbeitern bei Neueinstellungen neue Chancen, insbesondere denjenigen, die allein aufgrund der bisherigen Regelungen wegen zu hoher Kündigungsschutzauflagen wenig Chancen zur Neueinstellung haben.

Solidarität erhöht Unternehmenserfolg

Die hier vorgeschlagene neue Arbeitsverfassung, nach dem die Mitarbeiter als Miteigentümer und nicht als Kostenblock verstanden werden, ohne den bisherigen Eigentümern Anteile am Unternehmenserfolg zu nehmen, hebelt den Interessengegensatz zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer aus und fördert die Solidarität zwischen Eigentümer und Mitarbeiter.

Im Falle schlechterer Unternehmensergebnisse tragen nun die Mitarbeiter die Konsequenzen selber mit bzw. können sie beeinflussen, indem sie selbst die finanziellen Folgen mittragen, wenn sie beispielsweise die Kündigungen der Kollegen durch Widerspruch verhindern. Durch das neue Arbeitswesen werden die Interessen der Unternehmenseigner im gleichen Maße berücksichtigt wie die der Arbeitnehmer. Jeder Einzelne wird somit das Bestmögliche für das Unternehmen anstreben, um somit den Erfolg für das Unternehmen und sich selbst zu erhöhen.

Solidarität erhöht Unternehmenserfolg
Solidarität erhöht Unternehmenserfolg

Schließlich senkt dieser solidarische Gedanke auch ein großes volkswirtschaftliches Kostenpotential, allein dadurch, dass die hier vorgeschlagene neue Arbeitsverfassung Arbeitslosigkeit in Deutschland dramatisch reduzieren wird. Zudem werden Streitigkeiten und Arbeitsgerichtsprozesse weitestgehend überflüssig. Damit ist das neue Arbeitswesen letztendlich auch unter finanziellen Aspekten ein wichtiger Schritt auf dem Weg zum bedingungslosen Grundeinkommen.

Unter Kosteneffizienzaspekten ist auch das bisherige Steuersystem zu betrachten. Im nächsten Beitrag wird kritisch beleuchtet, inwieweit das aktuelle Steuersystem allein durch die Vielzahl der Steuerarten das Volksvermögen vernichtet und somit ein verändertes Steuersystem einen weiteren Schritt Richtung bedingungsloses Grundeinkommen darstellt.

In dem vorstehenden Bericht konnte vieles nur angedeutet werden. Daraus können sich Fragen ergeben. Zugleich ist Ihre Meinung gefragt! Den Autor erreichen Sie über Firma ALSTER-TERRAIN Bau- und Grundstücks KG, Herbert-Weichmann-Straße 67, 22085 Hamburg, oder unter der E-Mail Adresse mail@alster-liegenschaften.de.

Auf dem Weg zum Grundeinkommen

Michael Blachy vermutet, dass es irgendwann ein bedingungsloses Grundeinkommen geben wird. Die Staatsschulden, das Wirtschafts- und Sozialleben sowie das Steuersystem machen es unabdingbar. In den folgenden 4 Beiträgen legt er die Gründe dafür überzeugend dar.

Unter bedingungslosem Grundeinkommen (BGE) wird ein sozialpolitisches Finanztransferkonzept verstanden, nach dem jeder Bürger – unabhängig von seiner wirtschaftlichen Lage – eine gesetzlich festgelegte und für jeden gleiche, vom Staat ausgezahlte, finanzielle Zuwendung erhält, ohne dafür eine Gegenleistung erbringen zu müssen (Transferleistung). Es wird in Finanztransfermodellen meist als Finanzleistung diskutiert, die ohne weitere Einkommen oder bedingte Sozialhilfe existenzsichernd wäre (Wikipedia).

Erste Ideen des Grundeinkommens

Die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens wurde bereits im Mittelalter diskutiert. 1517 hat Thomas More mit dem Entwurf seines gerechten Staates “Utopia” eine Versorgung der Armen durch die Gemeinschaft vorgesehen. Sein Zeitgenosse Vives hat weitergehend einen detaillierten Vorschlag für ein garantiertes Mindesteinkommen für alle vorgelegt. Diese Gedanken wurden im 19. und 20. Jahrhundert durch Persönlichkeiten wie John Stewart Mill und dem Sozialwissenschaftler Erich Fromm fortgetragen.

Der einflussreiche Wirtschaftsprofessor und Präsidentenberater Milton Friedman hat 1962 mit der sogenannten “negativen Einkommensteuer” einen Ausweg aus dem komplexen Beihilfe- und Fürsorgesystem des Staates vorgeschlagen, aufgrund dessen zumindest dem ärmeren Teil der Bevölkerung ein Einkommen aus Staatsmitteln zukommt und zwar nur von einer Stelle, dem Finanzamt. So würden die politisch veranlassten “Wahlgeschenke” der diversen Beihilfen und somit auch die politische Einflussnahme deutlich reduziert.

Dieser Ansatz sowie die weiteren Ideen aus den Niederlanden, Belgien, Irland, Kanada sowie Deutschland enthalten viele gute Gedanken und Vorschläge zur Umsetzung des bedingungslosen Grundeinkommens.

 

Gesundheitskarte Sozialversicherung - Auf dem Weg zum Grundeinkommen - Michael Blachy

Notwendigkeiten und Hindernisse zur Einführung des Grundeinkommens

Es stellt sich die Frage, welche Notwendigkeiten und Voraussetzungen, aber auch welche Hindernisse zur Umsetzung des bedingungslosen Grundeinkommens gegeben sind.
Den optimalen Rahmen für die Einführung eines Grundeinkommens könnten die Politiker setzen. Da mit der Einführung des Grundeinkommens jedoch die diversen Sozial- und Beihilfen wegfallen, verlieren die Politiker damit an Einfluss und Macht und sind somit zumeist wenig interessiert an der Einführung des Grundeinkommens.

Es müssen also andere Notwendigkeiten bestehen und erkannt werden, die zu einem schnellen Umdenken in Richtung Grundeinkommen führen. Ein entscheidendes Kriterium ist dabei letztendlich das wirtschaftliche Hauptproblem unseres Landes, die Staatsschulden.

Explizite Staats-Schulden

Die Schulden des Bundes, der Länder und der Gemeinden addierten sich 2014 auf 2,2 Billionen Euro. (Stiftung/Marktwirtschaft/Generationenbilanz). Dieser Betrag ist unvorstellbar und erschreckend zugleich. Erschreckend insbesondere vor dem Hintergrund, dass nicht irgendwer, sondern jeder einzelne Bürger Schuldner dieser Staatsschulden ist und dafür verantwortlich, diese zu bezahlen. Zudem werden letztlich wohl auch noch unsere Nachkommen mit einem Schuldenberg belastet werden.

Erschreckend ist diese exorbitante Staatsverschuldung auch deshalb, weil nicht abzusehen ist, dass diese Staatsverschuldung in überschaubarer Zeit abgebaut werden kann. Statt eines Abbaus der Schulden ist vielmehr kontinuierlich ein weiterer Aufbau der Staatsschulden zu verzeichnen. Von 2006 bis 2014 erhöhte sich beispielsweise der Schuldenberg von 1,5 Billionen Euro auf 2,2 Billionen Euro. Fassbarer sind diese immensen Größen, wenn man sich vergegenwärtigt, dass die Staatsschulden sich jede Sekunde um 1.556 Euro erhöhen (www.staatsschuldenuhr.de).

Die Staatsschulden erhöhen sich jede Sekunde um 1.556 Euro Grafik aus dem Artikel - Auf dem Weg zum Grundeinkommen - Michael Blachy

Implizite Staats-Schulden – die Uhr tickt

Und das ist nur die halbe Wahrheit. Neben den o.g. Schulden, den sogenannten expliziten Schulden, führen die derzeitigen politischen Entscheidungen zu einer zweiten Form der Staatsverschuldung, die impliziten staatlichen Schulden. Bei den impliziten Schulden handelt es sich um Leistungsversprechen des Staates, deren Leistungen in der Zukunft erbracht werden, deren Ansprüche aber heute entstehen. Es geht dabei insbesondere um Leistungszusagen der Sozialversicherungen, vor allem der Rente. Die aktualisierte Generationenbilanz für Deutschland zeigt, dass sich die Summe der expliziten und impliziten Staatsschulden für das Basisjahr 2013 auf 6,7 Billionen Euro beläuft.

Somit sind die impliziten Staatsschulden etwa doppelt so hoch (4,5 Billionen Euro) wie die expliziten Schulden. Das Forschungszentrum Generationenverträge stellte zudem im Juli 2015 heraus, dass im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) die expliziten Schulden abnehmen (77% des BIP) während die impliziten Schulden weiter ansteigen (161% des BIP). Das bedeutet, dass die aktuellen Konsolidierungserfolge der Großen Koalition (schwarze Null) durch langfristig kostspielige Politikmaßnahmen wieder konterkariert werden. Damit verschiebt die Große Koalition die Kosten ihrer Politik wenig transparent auf die jüngere und zukünftige Generation.

Gesundheitskarte Sozialversicherung - Auf dem Weg zum Grundeinkommen - Michael Blachy

Allein diese Ausführungen zu der immensen Staatsverschuldung verdeutlichen, dass es einen Paradigmen-Wechsel geben muss, und zwar kurzfristig. In den nächsten Beiträgen wird dargelegt, wie zudem das derzeitige Wirtschafts- und Sozialleben sowie das Steuersystem einen Paradigmen-Wechsel erfordern und inwiefern das bedingungslose Grundeinkommen diese Problematik in sinnvoller Weise beeinflussen kann und wie es schließlich eingeführt werden könnte.

„Ihre Meinung ist gefragt! Den Autor erreichen Sie über Firma ALSTER-TERRAIN Bau- und Grundstücks KG, Herbert-Weichmann-Straße 67, 22085 Hamburg, oder unter der E-Mail Adresse mail@alster-liegenschaften.de.“

 

Den nächsten Beitrag von Michael Blachy „Das neue Arbeitswesen“ finden Sie hier:

http://www.sbnet.de/das-neue-arbeitswesen/

Sportrecht: Regresspflicht des Störers gegenüber dem Verein

Stuttgarter Rechtsanwalt Marius Breucker aus der Kanzlei Wüterich Breucker

Nach dem Spielabbruch der DFB-Pokalbegegnung VfL Osnabrück gegen RB Leipzig am 10.08.2015 wegen eines Feuerzeugwurfs auf den Schiedsrichter verhängte das DFB-Sportgericht gegen Osnabrück einen teilweisen Ausschluss der Zuschauer bei den Heimspielen gegen den VfB Stuttgart II und Rot-Weiß Erfurt. „Im nächsten Schritt wird der Verein den Täter für die entgangenen Einnahmen in Regress nehmen“, prognostiziert Rechtsanwalt Marius Breucker aus der Stuttgarter Kanzlei Wüterich Breucker. Ob und inwieweit der identifizierte Störer auch für Vertragsstrafen des DFB haftet, ist umstritten.

In einem vergleichbaren Fall hatte das Landgericht Stuttgart mit Urteil vom 15.09.2009 eine Schadensersatzpflicht in vollem Umfang bejaht: Damals war bei der Begegnung der Stuttgarter Kickers gegen Hertha BSC Berlin der Linienrichter durch einen halb gefüllten Hartplastikbecher im Genick getroffen worden. Er verlor kurzzeitig das Bewusstsein. Schiedsrichter Michael Weiner entschied daraufhin, die Begegnung im Stuttgarter Waldau-Stadion in der 81. Minute abzubrechen. In der Folge verurteilte zunächst das Amtsgericht Stuttgart den Täter zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Im parallelen Zivilverfahren sprach das Landgericht Stuttgart dem Verein als Schadensersatz sowohl die vom DFB verhängte Geldstrafe als auch die Kosten für die Anbringung eines Sicherheitsfangnetzes und des Verfahrens vor dem DFB-Sportgericht zu. „Nachdem das Landgericht seine Rechtsauffassung dargelegt hatte, entschied der Beklagte, die Klage anzuerkennen“, berichtet Rechtsanwalt Marius Breucker. Der Sportrechtler hatte im damaligen Verfahren die Stuttgarter Kickers vertreten.

Mit ausführlicher Begründung hatte das Oberlandesgericht Rostock im Urteil vom 28.04.2006 eine Haftung des Störers gegenüber dem Verein bejaht. Damals waren „Spielfeldflitzer“, die während des Spiels auf das Feld gerannt waren, zur Erstattung der vom DFB verhängten Geldstrafen verurteilt worden. Die daran anknüpfende Rechtsprechung ist aber umstritten. Zum einen wird die Wirksamkeit der zugrundeliegenden Norm der Rechts- und Verfahrensordnung des DFB in Frage gestellt. Zum anderen erscheint fraglich, ob die Vertragsstrafe bei wertender Betrachtung kausal auf das Verhalten des Schädigers zurückzuführen ist. Denn unmittelbar folgt die Verpflichtung des Vereins zur Zahlung der Vertragsstrafe ja nicht aus der Handlung des Schädigers – etwa dem Feuerzeugwurf oder Becherwurf -, sondern aus dem Urteil des DFB-Sportgerichts, welches die Vertragsstrafe festlegt. Da eine Vertragsstrafe nach ihrem Sinn und Zweck den Betroffenen zu einem vertragskonformen Verhalten anhalten soll, erscheint es fraglich, ob dieser Zweck auch erreicht wird, wenn der Verein die verhängte Strafe an einen Dritten „weiterreicht“. Unter anderem mit diesem Argument verneinte das Landgericht Hannover mit Urteil vom 26.05.2015 die Haftung eines Zuschauers. Kritisiert wird auch, dass der DFB über den Weg der Vertragsstrafe de facto zusätzliche Sanktionen gegen Hooligans verhängen kann. Unter diesem Gesichtspunkt müsste der Anspruch zumindest „auf eine den Vermögensverhältnissen des Fans entsprechende Höhe herabgesetzt werden“, fordert der Bayreuther Professor Bernhard Pfister in der Zeitschrift „Sport und Recht“.

Die herrschende Rechtsprechung bejaht dagegen eine Haftung von Fußball-Hooligans auch für Vertragsstrafen. „Derzeit müssen die Störer damit rechnen, in vollem Umfang in Regress genommen zu werden. Die Einzelheiten bleiben aber bis zu einer Klärung durch den Bundesgerichtshof umstritten“, sagt der Stuttgarter Anwalt Marius Breucker.

Weitere Informationen zu Marius Breucker und zur Pressemeldung „Regress des Vereins gegen Störer bei Zuschauerausschreitungen“ sind auf:

www.marbach-academy.de/tag/rechtsanwalt-marius-breucker/

 

und auf:

http://www.anwalt24.de/rechtsanwalt/stuttgart/dr-marius-breucker-1


zu finden.

 

 

Sportrecht – Regresspflicht des Störers gegenüber dem Verein by Marius Breucker

Kleiner „Think Tank“ des deutschen Sports

Eigentlich sollte es eine Buchpräsentation werden: Die Stuttgarter Anwälte Marius Breucker und Christoph Wüterich hatten „Das Arbeitsrecht im Sport“ verfasst und wollten dem Absatz im schwierigen Sportrechtsmarkt ein wenig auf die Sprünge helfen.

„Statt einer Selbstbespiegelung bei einem Glas Sekt wollten wir uns frische Gedanken ins Haus holen“, erläutert Marius Breucker die Anfänge. So wurde aus der Buchpräsentation eine Diskussionsrunde mit dem damaligen Bundesverfassungsrichter Professor Udo Steiner, dem Tübinger Sportsoziologen Professor Helmut Digel und dem Sportredakteur Herbert Fischer-Solms vom Deutschlandfunk. Über 200 geladene Gäste kamen ins Haus des Sports in Stuttgart.

„Die Resonanz hat uns überrascht – offenbar waren wir in eine Lücke gestoßen“, erinnert sich Christoph Wüterich, selbst ehemaliger Hockeyspieler und Präsident des Deutschen Hockeybundes.

 

 

Marius Breucker: Vertragsstrafen im Profifußball

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Liegestützen, Geldstrafen, „Trainingsgruppe 2“ – wöchentlich verhängen Proficlubs Disziplinarmaßnahmen gegen unliebsame Fußballprofis. Zunehmend lassen die Spieler solche Maßnahmen von den Arbeitsgerichten überprüfen. „Juristisch sind Fußballprofis normale Arbeitnehmer“, erläutert Rechtsanwalt Marius Breucker aus der Stuttgarter Sportrechtskanzlei Wüterich Breucker.

 

 

Bei der rechtlichen Beurteilung ist zwischen einer Vertragsstrafe und der Beschäftigung des Spielers in der ersten oder zweiten Mannschaft eines Vereins zu unterscheiden: Für Vertragsstrafen gilt das Bestimmtheitsgebot. „Jeder Spieler muss wissen, was er zu tun und zu lassen hat“, erläutert Rechtsanwalt Marius Breucker. Demnach kann ein Verein eine Geldstrafe oder ein „Straftraining“ nur verhängen, wenn dies vertraglich vorgesehen ist. Es muss zwar nicht jede Einzelheit im Arbeitsvertrag stehen. Geregelt sein muss aber, für welches Verhalten welche Vertragsstrafen in Betracht kommen. Die genaue Höhe kann der Verein dann im Einzelfall bestimmen. „Die Grenze ergibt sich aus dem Verhältnismäßigkeitsprinzip“, erläutert Sportjurist Marius Breucker. „Regelmäßig dürfen Vertragsstrafen nicht höher als ein Monatsgehalt sein, wobei dies bei manchen Fußballprofis ja erheblichen Spielraum lässt“.

 

Weitere Informationen über Dr. Marius Breucker und zum Thema “Vertragsstrafen und „Abstellungen“ im Profifußball” sind auf:

https://de.linkedin.com/pub/marius-breucker/5b/205/61a

und

de.slideshare.net/MariusBreucker

Dissertationen, die es zu lesen lohnt

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Die Autoren Katja Bosse und Gustav Beyer geben auf ZEIT online dreiundzwanzig Tipps für eine gelungene Dissertation. Von der Frage, „warum muss man publizieren?“ bis zur Nutzung von ResearchGate*, finden sich praktische Hinweise für jeden (angehenden) Doktoranden.

In mehreren Beispielen beschreiben Experten, wie Autoren auch mit trockenem Stoff ihre Leser erreichen: Professor Andreas Beyer von der Universität Basel schwärmt, wie Erik Wegerhoff seine historische Dissertation zum Kolosseum als informativen Lesegenuss gestaltet. Dabei stört ihn gar nicht, dass nur wenige Jahreszahlen fallen. Dr. Daniela Tandecki erzählt, wie anschaulich eine juristische Dissertation auch für Laien sein kann: Marius Breucker schreibt über den Umgang des Rechtsstaats mit Hooligans und veranschaulicht, wie sich die klassische Staatsdomaine der „inneren Sicherheit“ zunehmend internationalisiert.

Die Arbeit von Marius Breucker heißt „Transnationale polizeiliche Gewaltprävention“, befasst sich mit Europa-, Verfassungs- und Verwaltungsrecht, enthält viele Paragraphen – und ist trotzdem auch für Nichtjuristen ein Lese- und Erkenntnisgewinn.

Der ZEIT-Feuilletonist Thomas Assheuer beschreibt, wie Walter Benjamin mit seiner Dissertation zum Begriff der Kunstkritik in der deutschen Romantik 1919 auf wenigen Seiten und mit wenigen Fußnoten den Weg zu einem modernen Kunst- und Interpretationsverständnis ebnete.

http://www.zeit.de/campus/2014/06/doktorarbeit-publizieren-tipps-veroeffentlichung/komplettansicht

Dr. Marius Breucker zu Maßnahmen gegen Hooligans bei der Fußball-WM in Brasilien

Der Stuttgarter Rechtsanwalt Dr. Marius Breucker ist Experte für Sportrecht und beriet unter anderem das Bundesinnenministerium zur Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland 2006. Im Interview erläutert er die rechtliche Handhabe gegen Hooligans im Vorfeld der Fußball-WM in Brasilien und plädiert er für einen differenzierten Umgang mit möglichen Gewalttätern.

 

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WM-2014-Brasilien“. Über Wikipedia.

 

Gelbe und Rote Karten gibt es nicht nur in den Stadien Brasiliens – auch polizeibekannte Hooligans erhalten in den Tagen der Fußball-WM „Verwarnungen“ oder „Platzverweise“ durch die zuständigen Behörden: Wer in der Vergangenheit aufgefallen ist und im Verdacht steht, nicht allein des Fußballsports wegen nach Brasilien reisen zu wollen, wird von den zuständigen Beamten angesprochen. Im Zuge von „Gefährderansprachen“ weisen sie potentielle Gewalttäter darauf hin, dass sie im Visier der Behörden stehen und bei Straftaten in Brasilien auch in Deutschland belangt werden können. Wer sich von einer solchen „Gelben Karte“ nicht beeindrucken lässt, dem drohen weitergehende Maßnahmen – bis hin zu Beschränkungen des Passes und Ausreiseverboten.

 

 

SBnet: Hooligans nehmen Länderspiele einer Fußball-WM gerne zum Anlass für Ausschreitungen. Welche Möglichkeiten haben die deutschen Behörden, Randale im Vorfeld zu verhindern?

Dr. Marius Breucker: Sie können die ihnen bekannten, potenziellen Gewalttäter im Vorfeld ansprechen und darauf hinweisen, dass sie auch für im Ausland begangene Straftaten in Deutschland belangt werden können. Diese „Gefährderansprachen“ dienen in erster Linie der Deanonymisierung. Denn die Anonymität in der Masse senkt die Hemmschwelle zur Gewalt erheblich.

 

SBnet: Und wenn Gespräche nicht fruchten?

Dr. Marius Breucker: Dann besteht die Möglichkeit, für die Zeit der Weltmeisterschaft den Pass so zu beschränken, dass er nicht zu einer Ausreise nach Brasilien berechtigt.

 

SBnet: Passkontrollen können umgangen werden.

Dr. Marius Breucker: Die Grenzbehörden sind im Vorfeld der WM sensibilisiert und verfügen über die relevanten Daten. Aber selbst wer die Kontrolle passiert, kann sich nicht sicher sein: Eine Ausreise entgegen einer Passbeschränkung ist eine Straftat. Wenn der Betroffene im Ausland angetroffen wird, muss er zwangsläufig ausgereist sein und kann dafür bestraft werden.

 

SBnet: Können die Delinquenten denn in Brasilien ausfindig gemacht werden?

Dr. Marius Breucker: Auch wenn für die Betroffenen die Gewalt im Vordergrund steht, gehen sie doch zu den Spielen, den Spielstätten oder an verabredete „Drittorte“. Dort sind auch deutsche szenekundige Polizeibeamte im Einsatz, die ihre „Klientel“ kennen. Auch über Fernsehbilder wurden schon Gewalttäter im Ausland identifiziert und konnten dann nach ihrer Rückkehr belangt werden.

 

SBnet: Was ist, wenn die Betroffenen über ein drittes Land nach Brasilien reisen?

Dr. Marius Breucker: Die Passbeschränkung gilt nicht nur für die direkte Ausreise nach Brasilien. Auch die mittelbare Ausreise über ein Drittland ist untersagt.

 

SBNet: Und wie erkennt der Grenzbeamte, dass der Betroffene über einen Umweg ans Ziel kommen will?

Dr. Marius Breucker: Es kommt auf den Einzelfall an. Wenn konkrete Anhaltspunkte vorliegen, etwa aufgrund früherer Vorfälle, dass der Betroffene letztlich doch nach Brasilien reisen will, kann ihm auch die Ausreise in einen vermeintlich „unverdächtigen“ Staat verwehrt werden.

 

SBnet: Und wenn ein polizeibekannter Hooligan tatsächlich mit der Familie in den Urlaub fahren will?

Dr. Marius Breucker: Dann sollte das Urlaubsziel in den nächsten Wochen nicht ausgerechnet in Brasilien liegen… Nein, wer tatsächlich Urlaub machen will, und dies etwa durch entsprechende Buchungen belegen kann, darf natürlich ausreisen. Es ist Ausdruck des Prinzips der Verhältnismäßigkeit, dass die Ausreise nur so weit beschränkt wird, wie es unter Berücksichtigung der Rechte des Betroffenen erforderlich ist. Daher darf die Ausreise nicht generell untersagt werden. Entscheidend ist ja nicht, dass der Betroffene in Deutschland bleibt, sondern dass er nicht vor Ort in Brasilien ist. Bei der Beurteilung des Reiseziels sind Erfahrung und Fingerspitzengefühl der Beamten gefragt. Immerhin wird mit dem Pass das Grundrecht auf freie Ausreise beschränkt. Damit ist gerade in Deutschland sensibel umzugehen.

 

SBnet: Wer clever ist, kommt trotzdem raus.

Dr. Marius Breucker: Die Behörden haben zusätzlich die Möglichkeit, eine Meldeauflage anzuordnen. Dann muss sich der Betroffene etwa an den Spieltagen der Nationalmannschaft morgens und abends auf einer Polizeidienststelle melden. Und es gibt als ultima ratio, als letzte und härteste Maßnahme, die Möglichkeit, einen potentiellen Gewalttäter, der sich von allen beschriebenen Maßnahmen nicht abhalten lässt, vorbeugend in Gewahrsam zu nehmen.

 

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Fuleco.2013“ von Tânia Rêgo/ABr – Agência Brasil. Lizenziert unter CC-BY-3.0-br über Wikimedia Commons.

 

SBnet: Sind solch massive Eingriffe in die Grundrechte zu rechtfertigen?

Dr. Marius Breucker: Es handelt sich in der Tat um schwer wiegende Grundrechtseingriffe. Augenmaß ist gefordert. Die Verfassung erlaubt Grundrechtseingriffe nur auf Grundlage eines Gesetzes und der dort genau definierten Kriterien. Voraussetzung ist immer eine konkrete, auf Fakten basierende Gefahrenprognose. Die Herausforderung ist, zielgenau nur die wenigen zu treffen, bei denen aufgrund massiver oder häufiger Gewalttaten eine konkrete Wiederholungsgefahr besteht. Jede Maßnahme ist zudem gerichtlich voll überprüfbar. Die Rechtsprechung hat hierzu in den letzten Jahren Kriterien entwickelt, an denen sich die Behörden orientieren. Wie so oft im Recht muss man aber auch die andere Seite im Blick haben: Im Raum stehen nicht nur die Grundrechte der potenziellen Gewalttäter, sondern auch die der potenziellen Opfer auf Leben und körperliche Unversehrtheit.

 

SBnet: Geht es auch um das internationale Ansehen der Nationalmannschaft, die von vielen als Botschafter des Landes gesehen wird?

Dr. Marius Breucker: Die Nationalmannschaft als solche ist, auch wenn sie in Deutschland große Bedeutung hat, kein rechtlich geschütztes Gut. Die Bundesrepublik darf aber in der Tat dem Verlust an Ansehen vorbeugen, der mit massiven Gewalttaten deutscher Hooligans bei Sportgroßereignissen einhergeht. Dies sieht das Passgesetz mit der Formulierung „erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland“ ausdrücklich vor.

 

SBnet: Kann Brasilien als betroffener Staat von Deutschland entsprechende Maßnahmen verlangen?

Dr. Marius Breucker: Nach dem Völkerrecht ist jeder Staat verpflichtet, die Ausreise ihm bekannter Gewalttäter von seinem Gebiet aus zu verhindern, soweit ihm dies möglich und zumutbar ist. Voraussetzung ist, dass man die Betroffenen kennt und deren Ausreise mit vertretbarem Aufwand verhindern kann. Jeder Staat ist aber gehalten, entsprechende Anstrengungen zu unternehmen. Eine lückenlose Verhinderung der Ausreise aller potentieller Gewalttäter ist aber nicht zu leisten und auch völkerrechtlich nicht geschuldet.

 

SBnet: Könnte man sich den Aufwand im Vorfeld nicht durch eine starke Polizeipräsenz vor Ort sparen?

Dr. Marius Breucker: Das hat man in der Vergangenheit oft versucht – und oft vergeblich. Die Erfahrung zeigt, dass sich Ausschreitungen auch mit dem besten Einsatzkonzept nicht verhindern lassen, wenn sich erst einmal eine kritische Masse vor Ort versammelt hat.

 

Weitere Informationen über Dr. Marius Breucker (www.xing.com/profile/Marius_Breucker) und zum Thema Hooligans finden sich unter:
http://www.jurablogs.com/2006/06/07/rote-karte-fuer-hooligans

 

Lesen Sie hierzu auch das Taschenbuch zum Thema Hooligans:

Transnationale polizeiliche Gewaltprävention – Maßnahmen gegen reisende Hooligans

http://www.amazon.de/Transnationale-polizeiliche-Gewaltpr%C3%A4vention-Ma%C3%9Fnahmen-Hooligans/dp/3899132750

 

Nora Reich – Kann das Elterngeld die Geburtenrate beeinflussen

Kann das Elterngeld die Geburtenrate beeinflussen? – Nachgefragt bei Nora Reich vom Hamburgischen WeltWirtschaftsInstitut

Wie das Statistische Bundesamt am 2. Juli 2012 bekannt gab, sind in Deutschland im vergangenen Jahr (2011) etwa 663.000 Kinder geboren und damit rund 2,2 Prozent weniger als im Vorjahr. Kaum war diese Zahl veröffentlicht, wird – wie praktisch in jedem Jahr seit seiner Einführung im Jahr 2007 – das Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG) in Frage gestellt.

Dieses Gesetz habe sein Ziel verfehlt, so die Meinung der Kritiker, denn die Zahl der Kinder – manchmal auch fälschlicherweise als Geburtenrate wiedergegeben – sei nicht gestiegen. Nora Reich, Wissenschaftlerin am Hamburgischen WeltWirtschaftsInstitut, analysiert bereits seit einigen Jahren die Wirkung familienpolitischer Maßnahmen in europäischen Ländern und hat sich intensiv mit dem BEEG auseinandergesetzt.

„Das Elterngeldgesetz soll die Vereinbarkeit von Familie und Beruf fördern und sich dadurch positiv auf die Realisierung von Kinderwünschen auswirken,“ erklärt Nora Reich. „Theoretisch ist das eine plausible Überlegung.

Das BEEG vermag es mehr als das davor geltende Bundeserziehungsgeldgesetz, den Ansprüchen von Frauen, Kinder haben zu wollen, ohne den Beruf aufgeben zu müssen, gerecht zu werden. Durch die kürzere Auszeit, das höhere Elterngeld und die Förderung der Elternzeit-Inanspruchnahme von Vätern verringern sich die sogenannten Opportunitätskosten einer Familiengründung oder -erweiterung,“ fügt Nora Reich hinzu.

Die Forscherin macht dabei auf die unterschiedlichen Zielgrößen von Geburten aufmerksam. „Hierbei muss zwischen verschiedenen Messarten für Geburten unterschieden werden. Die absolute Zahl der Geburten, die diese Woche vom Statistischen Bundesamt veröffentlicht wurde, darf nicht als Messlatte für das neue Gesetz herangezogen werden.

Denn die zusammengefasste Geburtenziffer, also die durchschnittliche Kinderzahl pro Frau – umgangssprachlich auch Geburtenrate genannt, liegt in Deutschland schon seit den 1970er Jahren unter dem Bestandserhaltungsniveau von durchschnittlich 2,1 Kindern pro Frau. Das bedeutet, dass Jahr für Jahr die Zahl potenzieller Mütter sinkt. Daher sinkt erwartungsgemäß auch die absolute Zahl der Kinder.

Aussagekräftiger ist deshalb die zusammengefasste Geburtenziffer, mit der die Kinderzahl mit der Frauenzahl ins Verhältnis gesetzt wird. Streng genommen müsste man aber die Messung der Fertilität von Frauenkohorten abwarten, die erst nach Ablauf der fruchtbaren Phase feststeht,“ so Nora Reich.

Auch vor dem Hintergrund der langfristigen Entstehung von Kinderwünschen und zahlreicher weiterer Einflussfaktoren auf die Fertilität sei vor einer zu schnellen Verurteilung des BEEG gewarnt. Nora Reich führt aus: „Das BEEG geht in die richtige Richtung was die Vereinbarkeit von Familie und Beruf anbelangt. Aber die Fertilität wird von zahlreichen Faktoren beeinflusst.

Auf der privaten Ebene spielt zum Beispiel das Finden eines geeigneten Partners und eines sicheren Arbeitsplatzes eine Rolle. Wie in meiner Diplomarbeit dargelegt, sind von den politischen Rahmenbedingungen familienpolitische, aber auch arbeitsmarkt- und gleichstellungspolitische Maßnahmen für die Realisierung von Kinderwünschen relevant.“

Bis heute ständen Nora Reich zufolge viele Politiken den Zielen des BEEG diametral entgegen. Zum Beispiel kann ein Elternteil höchstens zwölf Monate bezahlte Elternzeit beantragen, es gibt aber nicht genügend Kita-Plätze für Kinder im zweiten Lebensjahr.

Die Öffnungszeiten von Kitas und Schulen erlauben zudem meist höchstens eine Teilzeittätigkeit. Auch das Ehegattensplitting fördert eher das Familienmodell mit dem männlichen Brotverdiener und der Frau als Hausfrau oder Zuverdienerin, statt dem Modell, in dem beide Partner etwa gleich zum Familieneinkommen beitragen. Darüber hinaus seien die Sicherheit des Arbeitsplatzes und die Karrierechancen für Frauen von Bedeutung, so Nora Reich, die zahlreiche Studien zu den Einflussfaktoren auf die Fertilität ausgewertet hat.

„Statt das BEEG in Frage zu stellen, sollten antiquierte Maßnahmen wie das Ehegattensplitting, welches vor über 50 Jahren eingeführt wurde und den Steuerzahler rund 20 Milliarden Euro jährlich kostet, bezüglich seiner Wirkung auf Kinderzahlen und Erwerbstätigkeit von Frauen untersucht werden. Zudem würde das geplante Betreuungsgeld das Ziel des Elterngeldes, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und die finanzielle Unabhängigkeit von Familien zu fördern, konterkarieren.

So lange es in Deutschland keine Familienpolitik „aus einem Guss“, flankiert mit passenden Arbeitsmarkt- und Gleichstellungspolitiken, gibt, ist kaum ein Effekt auf irgendein Geburtenindikator zu erwarten,“ sagt Nora Reich. „Außerdem sollte man die Errungenschaften des Elterngeldes jenseits der Geburtenzahlen nicht außer Acht lassen,“ fügt Nora Reich hinzu.

„Zum Beispiel gab es seit 2007 zum ersten Mal einen rasanten Anstieg des Anteils von Vätern, welche eine Auszeit für ihr Neugeborenes nahmen. Erstens profitieren die Kinder von der Zeit mit dem Vater, zweitens kehren deren Frauen nachweislich schneller wieder an ihren Arbeitsplatz zurück und tragen so zur finanziellen Stabilität von Familien bei.“

Die Frage, wie die deutsche Familienpolitik der letzten Jahre auf die Größe zukünftiger Generationen wirkt, bleibt für Nora Reich also weiterhin ein spannendes Forschungsfeld.

Verweise:
http://www.nora-reich.de/publikationen.html
http://www.hwwi.org/uploads/tx_wilpubdb/HWWI_Policy_Paper_1-10.pdf
http://www.amazon.de/Familienpolitik-Geburtenrate-Deutschland-Bundeselterngeld-Elternzeitgesetzes/dp/3836697890

Nora Reich (2010): Familienpolitik und Geburtenrate in Deutschland: Die potenzielle Wirkung des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes auf die Kinderzahl, Diplomica Verlag, Hamburg.